Dienstag, 22. Oktober 2013

Quentin: Braun


Ich gehe nun doch nach Hause. Ich habe mir an einem Stand, der wie Brezelkönig aussieht und auch Brezeln verkauft, aber kein Brezelkönig ist, einen Becher heissen Milchkaffee gekauft und mir die Zunge daran pelzig gebrannt. Ich laufe eine Strasse entlang. Beim Gehen sehe ich zu Boden, weil meine Füsse seltsam aussehen ohne die Schuhe. Kleiner irgendwie, verletzlicher. Und dreckiger, die Socken sind dunkelbraun vor Schmutz, von dem ich nicht weiss, seit wann er dort hängt, er könnte von überall sein. Braun ist meine Lieblingsfarbe. Die Farbe Braun ist in der Farbskala der Farbenlehre nicht vorhanden, da sie keine eigenständige Farbe ist, sondern eine gebrochene. Braun entsteht, wenn eine warme Farbe zwischen gelb und rot mit schwarz abgedunkelt wird und die Helligkeit unter fünfzig Prozent liegt. Wo sind überhaupt meine Schuhe? Ich kann mich nicht daran erinnern, sie ausgezogen zu haben, bevor ich schlafen ging. Aber ich kann mich auch nicht daran erinnern, wie ich schlafen ging, oder wie ich die Party verlassen habe, oder warum ich es nicht bis nach Hause schaffte, also ist das nicht sonderlich erstaunlich. Ob sie kaputt gegangen sind? Gestohlen wurden? Verloren gingen? Ob ich sie an der Party gelassen habe? Vergessen habe, sie anzuziehen? Ich glaube, ich sollte sie suchen gehen, wenn ich ausgeschlafen bin. Scheussliche Gesichter auf der Strasse, vor den Läden. Alle Menschen sehen scheusslich aus, wohl auch ich. Es gibt kein einziges schönes Gesicht auf der Welt, es gibt niemanden, der unter Deodorant und frisch riechendem Duschgel nicht nach erkalteten Körperflüssigkeiten und abgestorbenen Hautzellen stinkt, nach alter Butter, nach Käse an einem warmen Tag. Ich nehme aus Gedanken auftauchend den Becher in meiner Hand wahr und trinke einen Schluck, trotz meiner verbrannten Zunge schmecke ich die Milch unter dem Kaffee, und mir wird plötzlich übel davon und ich werfe den Becher in den Mülleimer fort.

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