Wenn
ich an gestern denke, will ich kotzen, aber ich glaube, die Party war
geil - so geil, wie so eine Party eben sein kann, mit den normalen
Einsamkeits- und Brechreizgefühlen, wobei ich mich manchmal frage,
ob andere die auch haben. Brechreiz nicht unbedingt
vom Alkohol, Brechreiz mehr vom Dasitzen und zuschauen und Flaschen
mit dem Feuerzeug öffnen und bei jedem Trinkspiel dazustossen,
dazusetzen, ich hatte noch nie Sex in der Schule, auf dem Klo, im
Schlafzimmer der Eltern. Es kommt eigentlich nicht drauf an, wann man
trinkt, ausser man ist der Einzige, der trinkt. Dann hat man was
erreicht; Ruhm und Ehre wird einen zuteil, wenn sich plötzlich alle
umdrehen und sagen: Krass, du hast schon mal…? Nach einem
Ich-hab-noch-nie-Spiel setzen sich die Jungs zu dem Mädchen, das oft als Einzige getrunken hat. Häschen machte das gestern ganz
gezielt: Nach dem Spiel hin zu dem Mädchen, das bei jeder
vorgeschlagenen Stellung die Flasche hebt. Natürlich würde er das
abstreiten. So wie alle alles abstreiten. Kantonsschüler sind die
grössten Heuchler, die ich kenne. Das ist so ein Gefühl, das ich
auf Partys kriege: Ich sitze da auf meinem Sessel und schaue auf den
Balkon raus; ich sehe die Leute, die über Musik diskutieren und
sagen: Ich habe die White Stripes schon immer geliebt und war auf
unserer Schule immer der Einzige, der die hörte! Quentin ist so ein
Exemplar. Er gibt sich furchtbar individuell, so mit Kappe und mit
Parisienne Verte und so ein Scheiss, tanzt auf dem Tisch und gibt
sich selbstvergessen, aber in der Bezirksschule, da stand er in der
Raucherecke oder am Rand des Fussballplatzes und fragte süffisant
den kleinen Jungen mit den Hochwasserhosen, wann er sich dann das
letzte Mal die Haare gewaschen habe. Ich sehe die Leute
pseudophilosophieren, höre sie sagen: Ich meine, mir ist
scheissegal, wie sich jemand anzieht. Ich finde, man sollte immer ein
bisschen rebellieren, egal, was man macht. Aber mit fünfzehn sassen
sie in ihren Klassenzimmern und bewarfen das Mädchen in der
vordersten Reihe mit vorgekauten Kaugummis.
Jetzt
sagen sie, das sei Kinderkram und das hätten damals alle gemacht.
Ich hole mir dann noch ein Bier. Sie sitzen alle in ihren Wohnzimmern
und alternativen Bars mit Che-Guevara-Buttons auf ihren Jeansjacken
und tun so, als hätten sie nie jemanden gedemütigt und getreten;
jetzt sitzen sie zusammen und feiern das Anderssein.
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