Montag, 28. Oktober 2013

Häschen: Trauerweide


Ich gehe jetzt an den Fluss, denke ich. Ich will über die letzte Nacht nachdenken. Es gibt eine Trauerweide am Fluss. Das wissen nur wenige, weil sie nicht so direkt am Fluss ist, nicht dort unter der Brücke, wo es immer nach Kotze und Bier riecht. Ein paar hundert Meter weiter, wo das Flussufer breiter ist und nicht gleich die Bonzenhäuser dran grenzen. Meine Oma gibt mir eine Schachtel Heidelbeeren mit. Ich ziehe meine Schuhe an. Eine Jacke brauche ich nicht, draussen ist es warm.

Unter der Trauerweide stecke ich mir eine Lucky Strike an. Das Gras kitzelt im Nacken. Der braune, schmutzige Fluss schleppt den trägen Vormittag an mir vorbei. Ich denke an das Mädchen von gestern: An ihre Beine in den kurzen Hosen, an ihr Lächeln, das ein bisschen arrogant war. Ich kann mich gut an ihre Schlüsselbeine erinnern: Die Schatten, die sie warfen. Ich weiss nicht mehr, wie ihre Stimme klang, aber ich kann es mir gut vorstellen.

Seltsamerweise träume ich von Una, als kurz darauf die Blätterschatten über mir mit dem Himmel über ihnen verschwimmen und die Geräusche vom Fluss mit der vorgestellten Stimme des Mädchens auf dem Klavier. Ich weiss nicht genau, was ich träume, aber es spielt sich auf dem Balkon von Js Haus ab, dem Schlafzimmer-, nicht dem Wohnzimmerbalkon.

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