Dienstag, 29. Oktober 2013

Quentin: Allein



Ich starre noch ein wenig den Tisch an, hoffe halb darauf, dass meine Familie nach Hause kommt, ein Nachbar klingelt, irgendjemand hereinspaziert und sich mit mir unterhalten will, aber es ist lächerlich offensichtlich, dass niemand kommen wird, also gehe ich in die Küche, mache mir eine Tasse Schwarztee mit Zitronenstücken darin und setze mich mit ihm und dem Schachbrett an den Tisch. Die Partie, die ich gegen meine jüngere Schwester gespielt habe, steht noch immer so, wie wir sie verlassen haben, schwarze Dame und schwarzer Turm bedrohen weissen König, Schachmatt, weisse Dame irgendwo rechts aussen, ein Zug, und der schwarze König wäre matt. Ich spiele immer mit schwarz, sie immer mit weiss.
 
Meine Schwester ist der einzige Mensch, der mich ab und zu im Schach schlägt. Einmal habe ich gegen Tonna verloren, aber das war Absicht. Sie hat nicht schlecht gespielt, aber ich hätte sie schon ganz zu Anfang mit vier Zügen matt setzen können, mit Bauernzug, Springer zwei Züge, Läufer nach vorne und matt. Der einfachste Schachtrick der Welt, und jeder Trottel fällt darauf herein. Es ist nicht so, dass ich besonders klug wäre oder besonders gut Schach spielen könnte, ich habe es nie irgendwo gelernt oder so, aber die meisten Menschen stellen sich einfach dumm an. Sie wollen gar nicht intelligent sein, sie wollen gar nicht nachdenken, es ist ihnen zu anstrengend, und sie haben vielleicht auch ein bisschen Angst vor dem, was ihre Gehirnwindungen möglicherweise produzieren könnten.


Ich habe die Bezirksschule ja gehasst. Genau deshalb, weil es irgendwie nur Idioten gibt, ganze Rudel von Idioten, und wenn man kein Idiot ist und das nicht gut genug verstecken kann, dann stehen sie im Kreis um dich herum und spucken dich an. Ich war keiner von denen, die angespuckt wurden, aber ich glaube, ich hätte es sein können. Dann wäre ich jetzt wie Adorno, ein überheblicher Junge, der in der Ecke auf einem Sofa sitzt und mit zynischer Miene warmes Billigbier trinkt und alle verachtet. Adorno und ich waren befreundet, in der Primarschule, bevor wir in die Bez kamen. Oder ich wäre tot wie diese Freundin von Tonna, die sie unten beim Schwimmbad aus dem Fluss gezogen haben.

Ich trinke Schwarztee, stelle die Schachfiguren gegeneinander auf und mache halbherzig ein paar Züge, aber gegen sich selbst zu spielen macht irgendwie noch weniger Spass als gegen einen Idioten zu spielen, ich nehme die weisse Dame vom Feld und versuche, sie in meinem Tee zu ertränken, aber sie ist aus Holz und schwimmt obenauf, also fische ich sie wieder heraus, stelle sie tropfend zurück auf ihren Platz und gehe duschen.
 
 

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