Ich
war nicht betrunken gestern Nacht, aber die Welt spannte sich vor mir
auf wie ein bedrucktes Tuch mit verworrenen Mustern und Farben, die
man nicht einordnen kann. Die Abende in den Sommerferien sind bisher
ineinander gelaufen: Ich ging aus dem Haus, denke: Heute passiert
was. Ich habe immer so ein blauweiss kariertes Hemd getragen. Das
habe ich mir irgendwann während der letzten Prüfungen gekauft, als
wir mal nach der Schule in die Stadt gingen und Fee noch Unterwäsche
kaufen wollte. Sie wollte das bestimmt, damit die anderen Männer,
also Adorno und der Papagei und Quentin, sie sich nachher in dieser
Unterwäsche vorstellten. Ich glaube, Fee mag die Vorstellung, dass
sich jemand wegen ihr einen runterholt.
Da
habe ich mir jedenfalls, während die anderen vor dem
Unterwäscheregal standen, in der Männerabteilung dieses Hemd
gekauft. Es roch nach Sommer, nach Freiheit, nach am Konzert in der
ersten Reihe stehen. Das habe ich mir während der Prüfungen immer
vorgestellt: Dass ich diesen Sommer an irgendeinem Konzert in der
ersten Reihe stehen werde. Ich hatte nie eine genaue Vorstellung, was
für eines das sein konnte. Obwohl wir den ganzen Sommer oft über
Konzerte und Musik und Festivals gesprochen haben und wer wo auftritt
und welche Künstler gut und welche scheisse sind, fällt mir jetzt,
im Rückblick, ein, dass ich auf keinem einzigen Konzert war. Das
Hemd war immer Verheissung, leere Verheissung für einen Abend, an
dem wir am Schluss doch nur im Park sassen und nichts passierte. Ich
glaube, die anderen störte das nicht so wie mich. Adorno war froh,
dass überhaupt jemand ihn dabei haben wollte. Una machte die
Konversation mit der ganzen Gruppe, indem sie Bemerkungen über
Bäume, Wolkenmuster oder die verkommene Gesellschaft fallen liess,
wobei Adorno ihr an den Lippen hing. Aila hing gedankenverloren an
ihrer Bierflasche, brauchte lächerlich lange, um sie leer zu
trinken, und versuchte gar nicht erst, witzig zu sein; und Fee, ja,
Fee wartete wohl auch auf etwas. Sie kam nicht jeden Abend mit, als
wollte sie sich dadurch rar machen, und einmal sahen wir sie mit
irgendeinem Typen in einer dieser abstossend gepflegten Bars in der
Nähe des Bahnhofes sitzen, und der Typ war auch ganz abstossend
gepflegt. Seither kann ich Fee noch weniger ernst nehmen als vorher,
und den anderen geht es, glaube ich, ähnlich.
Der
Papagei verschwand meist um halb zwölf und meinte, ein Kumpel habe
ihm gerade noch geschrieben, er nehme den Achtunddreissiger in die
andere Stadt, wo mehr abgehe als hier bei uns. Das betonte er immer:
Den Achtunddreissiger in die andere Stadt,
als mache ihn die Angabe der Abfahrtszeit des Schnellzuges
glaubwürdiger. Wir kicherten dann ein wenig und machten ein paar
Sprüche über den Papagei, aber irgendwann waren wir es leid und
fragten uns nur noch, wieso er immer noch bei uns auftauchte.
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