Dienstag, 8. Oktober 2013

Adorno: Kastanien


In der Früh sehe ich den traurigen Jesus über mir und höre ernste Stimmen von draussen. Es ist so still bei J zu Hause, dass ich höre, wie die zwei Leute auf dem Balkon in den Redepausen an ihren Zigaretten ziehen und den Rauch in die Luft blasen. Eine weissgraue Spirale verflüchtigt sich ins Wohnzimmer. Ich drücke mein Gesicht in das kratzige Sofakissen.
'Als Kind war ich mit meiner Mama immer im gleichen Häuschen im Tessin.'
Rauch raus.
'Das war früher mal ein Häuschen, um Kastanien zu trocknen. Also total klein.'
Rauch rein.
'Wie klein?'
'Wenn man reinkommt, steht man in der Küche. Dort gibt es einen Herd und ein Tischchen mit zwei Stühlen. Die Stühle mussten wir rausstellen, um etwas kochen zu können. Bei Regen haben wir sie dann wieder reingeholt.'
'Klingt schön.'
'Es gibt eine kleine Treppe und ein Bett unter dem Dach. Man kann durchs Fenster den Himmel sehen, wenn man da liegt.'


Ich weiss nicht einmal, wer da draussen sitzt, ich kann ihre Stimmen nicht auseinander halten. Ich würde gerne noch mehr über das Kastanienhäuschen hören, aber wahrscheinlich hören sie auf, darüber zu reden, wenn ich auch nach draussen komme. Vielleicht sollte ich nach Hause, weiterschlafen.

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