Fee

Model: Unbekannte Schönheit
Alter: 18

Musik: Nirvana - Where Did You Sleep Last Night

Wie viel Bier: Fee trinkt nach Möglichkeit Wein, meist bringt sie selbst welchen mit. Weil alle anderen Bier trinken, hat sie sich aber mittlerweile daran gewöhnt und verträgt ein bis zwei Halbliterdosen.

Erstes Mal: Fee ist (oder war) noch Jungfrau.


Morgen Aufwachen
Ich erwache, weil mir kalt ist, und das ist, weil ich ohne Decke da liege, weil er das grüne Leintuch ganz zu sich herübergezogen hat. Er liegt vor mir – ich sehe nur seinen Rücken. Oben beim Nacken hat er viele kleine rote Pickel. Im Zimmer riecht es nach Schweiss.
Das Fenster steht offen, und ich überlege mir, wie es draussen wohl aussieht. Wahrscheinlich ist es schon hell. Ich weiss es nicht, denn die Läden sind geschlossen. Ich kann mich noch an einen Balkon erinnern, weil wir da einen Joint geraucht haben, irgendwann. Aber der muss auf einem anderen Zimmer gewesen sein. Ich kann mich auch noch erinnern, wie wir hier her kamen, wir fuhren etwa eine Stunde mit irgendeinem Bus und es war mir furchtbar peinlich, ein paar Leute aus meiner Klasse zu sehen, wie ich so vor dem Automaten stand und meine Fahrkarte löste und er mir währenddessen über den Rücken strich, immer vom Nacken bis zum Ende der Wirbelsäule, mit zwei Fingern, und wieder hinauf.
'Hey, wo wart ihr denn?', fragten die aus meiner Klasse.
'Auf Js Party.'
'Ah, da wollten wir erst auch hin. Und jetzt geht ihr', sie warfen ihm einen bedeutungsvollen Blick zu, er schaute angestrengt zu Boden, 'nach Hause?'

'Denk schon', antwortete ich und versuchte, entspannt zu lächeln, doch ich schaute dabei auch auf den Boden, und das wirkte, glaube ich, nicht so entspannt.




Obstauslagen
Die Sonne brennt durch die Ritzen zwischen den Fensterläden, und ich friere nicht mehr. Ich frage mich, ob ich wohl davon braun werde. Immerhin bin ich ja nackt.

Ich bin in einer dieser Blockwohnungen am Rand von einem dieser Dörfer, die sich wegen ihres grossen Einkaufszentrums urban fühlen. Wir sind da durch gegangen letzte Nacht, oder besser, heute, am frühen Morgen, nach der Party, und da gab es überall so kleine Läden, die 'Mini Market' oder 'Super Market' heissen und Obstauslagen mit angefaulten Früchten vor den Türen stehen haben, solche, die einem das Gefühl geben, irgendwo im Süden zu sein. Die waren da natürlich zugedeckt, die Obstauslagen, der frühe Morgen roch noch schmutzig, nach dem kalten Rauch der letzten Nacht. Als wir bei ihm waren, ging er kurz ins Bad und ich stand in seinem Schlafzimmer. Ich stand vor der offenen Balkontüre, fror, war seltsam aufgeregt und glücklich, glücklich, weil: Ich hätte da einfach wieder rausgehen können und auf den nächsten Bus zu mir nach Hause. Er stünde dann allein im Schlafzimmer und müsste die aufgebaute Vorfreude anderswie loswerden. Diese Vorstellung machte mir Gänsehaut. Vielleicht war sie das Aufregendste an der ganzen Nacht.



Alt sein
Er geht mit mir zum Bus. Die kleinen Supermärkte sind jetzt offen. Männer mit Schürzen und dicken Bäuchen stehen davor. Auf den Betonspielplätzen vor den Häusern spielen Kinder. Ihre älteren Geschwister stehen daneben und mustern uns arrogant. Ich komme mir so alt vor. Wahrscheinlich denken sie, wir seien ein Paar. Als ich so zwölf, dreizehn war, sind mir die Achtzehnjährigen erwachsen und anständig vorgekommen, sogar, wenn sie an Familienfesten total betrunken Grossmutters Lieblingsvase vom Tisch gefegt haben, und sowas ist oft passiert. Sie waren erwachsen, egal, was sie taten. Ich stelle mir vor, wir wären ein Paar, ich und der Typ neben mir, ich weiss, wie er heisst, aber sein Name passt nicht zu ihm, als wäre dieser weit weg von ihm, als müsste er anonym bleiben, so wie er auf der Party anonym war und keiner wusste, wer ihn eigentlich eingeladen hatte.



Wenn die Jugend selbst sich gar nicht gut findet“, sage ich, als wir schon fast bei der Bushaltestelle sind, „wieso glauben wir es den Alten dann?“

Wahrscheinlich wollen wir es selbst glauben.“

Und wieso lassen wir uns von ihnen dermassen verarschen?“

Er küsst mich auf den Mund, der Bus kommt, und ich löse eine Fahrkarte, nach Hause.



Busfahren
Im Bus sitzt eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Der Typ an der Haltestelle dreht sich um und geht weg, ich sehe noch, wie er zum Kiosk gegenüber geht, wahrscheinlich muss er Zigaretten kaufen, weil ich ihm gestern alle weggeraucht habe. Er dreht sich nicht noch einmal nach dem Bus um. Als der Bus aus dem Dorf hinausgefahren ist, fange ich an zu weinen. Das eine der zwei Kinder schaut mir zu. Das andere schläft an der Brust seiner Mutter.