Es
ist Ailas achtzehnter Geburtstag, und ich habe die ganze Nacht nicht
daran gedacht. Wir waren bei J und haben gefeiert, aber nicht sie,
sondern, ja, was wir eigentlich gefeiert haben, weiss ich auch nicht.
Ob ihr um zwölf jemand gratuliert hat? Ich bin mir nicht sicher, ob
es irgendjemand gewusst hat. Fee vielleicht. Nachdem wir zusammen in
den Fluss gesprungen sind, ging Aila weg. Ich habe sie noch einmal
gesehen: Sie stand an einer Türe. Ich habe, glaub ich, ein Glas
Wasser mit ihr getrunken, in der Küche. Wenn ich mit Aila zusammen
bin, spüre ich immer, was wir eigentlich alle sind, denn irgendwie
hat sie so was Schwirrendes an sich, nicht, dass sie ständig
verschwinden würde, im Gegenteil: Sie ist immer da; sie schwirrt um
mich, um alle; sie schwirrt und setzt sich nicht nieder. Vielleicht
tun wir das alle umeinander, doch bei ihr spüre ich es besonders,
dieses Unfestsetzbare, während die anderen zumindest so tun, als
wüssten sie, wo sich niedersetzen, wo sich hinlegen, wo mit wem
welches Gespräch führen: Adorno in seinem Wohnzimmersessel; der
Papagei vor der Toilette, weil dort die meisten Mädchen nicht damit
rechnen, dumm angemacht zu werden, wenn sie sich gerade die Hände
gewaschen haben; Fee auf dem Raucherbalkon, Häschen
dort, wo sich gerade die meisten Leute ansammeln, Quentin und Tonna
meist zusammen irgendwo am Rand, ausser wenn Quentin betrunken ist
und auf dem Tisch tanzt, so wie gestern. Sie alle tun so, als wüssten
sie, was ihr Platz ist und was man so macht an Partys. Dabei sind wir
eher wie freie Radikale, zuckend und schwirrend bei Nacht. Tagsüber
kleben wir in unseren Salzgittern fest und wollen nicht zugeben, dass
wir uns da sicher fühlen. Wir wären alle gerne frei. Wir stünden
alle gerne am staubigroten Strassenrand und warteten, bis der nächste
Laster uns mit ans Meer nimmt. Und wir wären alle gerne radikal. Wir
wären gerne die, die etwas Neues ausprobieren, die ersten
Lederjackenträger oder Bebopspieler oder Pop-Up-Künstler. Aber
alles, was wir tun, bleibt Imitation. Wenn wir am Strassenrand sitzen
und Bier trinken, imitieren wir die verlorene Jugend bloss, denn wir
hätten ja ein Zuhause, wo wir Bier trinken könnten. Dieses blosse
Abbild einer Kultur lässt sie noch farbloser erscheinen. Wir
imitieren Polaroidfotos. Selbst die Augenringe sind geschminkt.
Unsere Eltern hatten schlechte Kameras. Wir haben Instagram.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen