Ich
wache auf und erinnere mich, dass ich da mit Tonna geredet habe, auf
diesem Balkon. Nachdem ich das Mädchen vom Klavier zur
Bushaltestelle gebracht hatte, ihr grosser Bruder holte sie da ab,
oder so. Wenn der wüsste. Ich hatte mich dann in irgendeinem
Schlafzimmer, ich glaube, es war das von Js Eltern, jedenfalls hatte
es einen Balkon, aufs Bett gelegt. Ich musste da eingeschlafen sein.
Als ich aufwachte, merkte ich, dass Tonna auch im Zimmer war, sie
sass auf einem Stuhl und schaute durch die Balkontüre nach draussen.
Sie sah ziemlich durch aus, und ich glaube, ich sagte irgendwas zu
ihr, ich weiss nicht mehr, was, jedenfalls fing Tonna darauf an zu
weinen, so richtig zu weinen. Die Luft war grauweiss vom Rauch,
obwohl J eigentlich mal gesagt hatte, man dürfe drinnen nicht
rauchen. Bestimmt hat Quentin damit angefangen, der macht sowas immer
absichtlich. Ich konnte Tonna nur schemenhaft erkennen; ich hörte
sie wimmern und sah, wie sich ihre Schultern vor- und zurückbewegten.
Ich ging zu ihr hin und nahm sie am Arm und zog sie auf den Balkon,
da ich keine Lust hatte, mit ihr in diesem merkwürdigen Schlafzimmer
mit der dunklen Tapete zu sitzen.
Tonna
stellte sich ans Balkongeländer mit dem Rücken zum Zimmer, den Kopf
in die linke Handfläche gestützt, als würde sie auf jemanden
warten. Sie drehte einen Plastikbecher in der rechten Hand erst auf die
eine, dann auf die anderen Seite und beobachtete, wie Reste eines
orangefarbenen Mischgetränkes in den Rillen des Bechers ihre Kreise
zogen. Danach redeten wir, die Worte sind noch da, aber die Bilder
dazu schwinden, als wäre Tonna immer hinter dem Rauch versteckt
gewesen.
Tonna Es wird schon
hell.
Häschen Drinnen
sieht man ja echt fast nix mehr.
Tonna Schau
dir den Himmel an.
Häschen Ich
hasse es, wenn die Sonne aufgeht, bevor ich schlafen gehe. Allgemein wenn die Sonne während der Party aufgeht. Sie gibt mir immer das
Gefühl, das alles zu Ende ist.
Tonna Oder
dass es gerade wieder anfängt.
Häschen Eben,
es fängt schon wieder an. Auf genau dieselbe Art wie am Vortag wie
am Vortag wie am Vortag. Die Nacht gibt dir das Gefühl, dass alles
sich in diesen Stunden verändern kann und dass am nächsten Tag
nichts mehr ist wie zuvor. Wenn du dann die Sonne auf genau
dieselbe Weise aufgehen siehst, wie sie es alle Tage zuvor getan
hat, macht das alles, was in der Nacht geschen ist, bedeutungslos.
Tonna Wenn es nicht bedeutungslos wäre, würde es niemand tun. Wenn alles, was wir an Partys tun, irgendeine Bedeutung hätte, würden wir alle am Boden sitzen, uns anschweigen und Himbeeren essen.
Häschen Was meinst du damit?
Tonna An
Partys ist doch alles scheissegal. Wieviel du trinkst, mit wem du was
anfängst, wieviele Zigaretten du schnorrst und an wen du dein Gras
verschenkst. Du musst nur Spass haben. Spass ist das oberste
Gebot. Und wenn du keinen hast, dann gehörst du da nicht hin.
Häschen Du
hast keinen, oder?
Tonna Was?
Häschen Spass.
Häschen Spass.
Tonna Ich
weiss nicht.
Häschen Klang
jedenfalls nicht so.
Tonna Ich
denke, ich hätte Spass, wenn ich mich jetzt auf dieses Geländer
setzen würde.
Häschen Du
spinnst.
Tonna
setzte sich aufs Geländer. Ich lehnte mich vorsichtig ein wenig
darüber. Tonna sah nach unten zur terrakottafarbenen Regenrinne
voller Laub und Zigarettenstummel. Ich stand noch eine Weile da. Dann
ging ich rein und hob eine halbvolle Ginflasche vom Boden auf. Ich
ging zurück auf den Balkon und setzte mich mit der Flasche neben
Tonna aufs Geländer.
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