Freitag, 8. November 2013

Quentin: Fernsehen




Meine Haare sind nass und tropfen auf das Kopfkissen, der Stoff saugt das Wasser auf, wird feucht, wird nass, die Feuchtigkeit beginnt sich auszubreiten, kriecht meinen Nacken hinunter bis zu meinen Schulterblättern, will nach meinem T- Shirt greifen, aber ich trage kein T-Shirt.

Ich kann nicht schlafen. Die Sonne scheint auf den Balkon vor meinem Zimmer, die Bodenplatten reflektieren die Strahlen und werfen sie durch die verschmutzten Fensterscheiben in mein Zimmer, in dem sich die Hitze wie in einem Dampfkochtopf staut.

Ich stosse die Bettdecke vom Bett, als Knäuel bleibt sie auf dem Boden liegen. Ich habe die Zimmertür offengelassen und lausche darauf, dass jemand nach Hause kommt, aber niemand kommt, niemand macht die Wohnungstür auf, niemand ruft, 'hallo', ich bleibe allein.  

Ich greife nach der Fernbedienung, die auf dem Pult neben meinem Bett liegt und drücke auf den grossen roten Knopf. Der Fernseher gibt einen ekelhaft hohen Ton von sich, der in den Ohren beisst, bevor er sich einschaltet. Die Sonne scheint genau so auf den Bildschirm, dass alle Kontraste sich annähern, die klaren Umrisse verschwimmen, weil es zu hell ist, und man nur mit Mühe die Figuren im Fernseher sehen kann. Ich will einen Sender suchen, auf dem etwas läuft, das mir gefällt, aber ich sehe praktisch nie fern und kenne darum keinen einzigen Sender, also gebe ich wahllos ein paar Nummern ein.

Die ersten beiden Male kommt Mike Shiva, das dritte Mal eine Serie auf Französisch, das vierte und fünfte Mal eine Sendung, die mir irgendetwas verkaufen will und danach gebe ich es auf, irgendwelche Zahlen einzugeben und fange strukturiert von unten an und zappe mich dann hoch. Dreiundfünfzig Kanäle gibt es, bevor sich die Sendungen wiederholen, mit ein paar Ameisenbildschirmen dazwischen. Ich durchzappe die dreiundfünfzig Kanäle einmal und dann noch einmal, weil in der Zwischenzeit vielleicht die eine oder andere Sendung zu Ende gegangen sein könnte und etwas neues läuft, aber ich finde trotzdem nichts, was mir gefallen will.

Irgendwann entscheide ich mich für die Serie auf Französisch, die ich ganz am Anfang gefunden habe, aber ich habe den Sender vergessen und muss noch einmal alle Kanäle durchzappen, bis ich sie auf Nummer siebenundvierzig finde.

Ich lege die Fernbedienung weg und versuche, zu verstehen, um was es geht, aber die Serie ist schlecht synchronisiert, der Ton stimmt nicht mit den Mundbewegungen der Schauspieler überein, ausserdem knistert es irgendwie, und das verwirrt mich und dann ist mein Französisch auf einmal fort und ich verstehe nichts mehr ausser 'ma chérie' und 'merde'. Also konzentriere ich mich auf die Bilder.

Es gibt drei Frauen und drei Männer, die irgendwie zusammen in einer WG wohnen und sie sind alle hübsch und gutangezogen und heterosexuell und gehen zusammen auf Partys, auf denen sie die ganze Nacht feiern und um zwei Uhr morgens zusammen nach Hause gehen, nicht torkeln, und die Schminke der Frauen ist immer noch perfekt und kein bisschen verwischt und dann machen sie noch einen Abstecher zum Strand, der gerade um die Ecke ist, und die Frauen ziehen ihre Stöckelschuhe aus und spielen Fangen mit den Wellen und lachen und die Männer sitzen auf den Liegestühlen und rauchen und unterhalten sich über die Eroberungen der letzten Nacht. Nun ja, ich weiss nicht ganz, worüber sie sprechen, weil mein Französisch nicht mitkommt, aber sie sprechen ganz bestimmt über ihre Eroberungen der Nacht. Und dann kommt die eine Frau von den Wellen zurück und geht mit dem einen Mann fort, am Strand entlang spazieren. Die sind nämlich zusammen. Und es gibt einen kleinen Streit, es scheint, als wäre sie wütend, vielleicht wegen seiner Eroberungen, vielleicht hat er mit einer anderen Frau getanzt, keine Ahnung, das habe ich verpasst, ich kann die nicht ganz auseinanderhalten, die drei Männer. Sie klingt eifersüchtig oder traurig oder gereizt oder einfach nur müde, und dann versöhnen sie sich und er küsst sie und die Kamera zoomt weg von ihren Lippen, von ihren Gesichtern, zeigt den Strand, die Palmen dahinter, die Strandpromenade, die ersten Häuserreihen und die dahinter und die dahinter und das ganze Viertel und dann die ganze Stadt, hell und weiss und sauber, zu hell und weiss und sauber für drei Uhr nachts nach einem Partyabend, und ich mag irgendwie nicht mehr weiterschauen und schalte den Fernseher aus und es ist wieder still.

Plötzlich bereue ich es, die Bettdecke vom Bett gestossen zu haben, das Bett ist irgendwie zu gross für mich und ich umarme mein Kopfkissen, aber das ist noch nass von meinen Haaren und ich stehe auf, ziehe mir ein T-Shirt an und gehe aus dem Zimmer und aus der Wohnung, meine Schuhe finden.

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