Sonntag, 3. November 2013

Aila: Eigentlich rauchen wir alle nicht


Als ich zurück war vom Fluss, die Haare nass und stinkend und die Jeans, sie klebten in meinen Kniekehlen, und ich fror, da stand ich vor der Haustüre, wo niemand war, lehnte mich an und fragte mich, ob es immer und überall eine Person zu viel gab, die Übriggebliebene, die, der am Achtzehnten nicht gratuliert wurde, die Nebendarstellerin. Dann kam Häschen zur Tür hinaus. Häschen hat eine hübsche Art, irgendwo aufzutauchen, einen immer etwas verwunderten Blick und wirkt überall, als hätte man ihn gerade ins Bild geschnitten. Trotz der blauweissen Karohemden und Allstarschuhe und Shampoolocken wirkt er immer irgendwie weltfremd. Gestern Abend, als er durch diese Haustüre zu mir kam, tropfte ihm Bier von der Unterlippe, und er fuhr mit seiner Hand unschlüssig über meine Haar, eine schnelle, fahrlässige Bewegung, als wolle er Schmutz von mir abwischen. Nachher redeten wir, das ging ungefähr so:



Häschen       Wieso bist du so nass?

Aila               Ich bin von der Brücke gesprungen.

Häschen       Ohne Scheiss?

Aila               Ja.

Häschen       Einfach so? Ganz allein?

Aila               Mit Una und Adorno.

Häschen       Und wo hast du die gelassen?

Aila               Sind noch geblieben.

Häschen       Schade. Una wollte mir noch irgendein Lied zeigen. Sag mal, hast du ne Zigarette?
Aila               Nein. Ich rauche eigentlich nicht.

Häschen       Eigentlich rauchen wir alle nicht. Warte, ich geh uns zwei schnorren.



Als Häschen wieder reingegangen war, setzte ich mich auf den Vorplatzboden und schloss die Augen. Ich wäre gerne ins Koma gefallen, in diesem einen schönen Moment. Ich wollte in einem weissen Bett liegen, und viele Leute sollten darum herum stehen. Und alle sollten heulen.



Häschen       Hier.

Aila               Danke. Hast du auch Feuer?

Häschen       Ja.

Aila               Heute ist mein Geburtstag.



Ich ging mit Häschen zurück ins Wohnzimmer, ich holte mir noch etwas zu trinken, weil mir danach war, hinter dem Schleier zu verschwinden: Kerouac sagte, ihn interessierten nur die verrückten Menschen, die die ganze Nacht lang brennen, brennen, brennen. Er sagt das wirklich so, dreimal. Und wie sollte ich brennen, wenn ich dann schon nach Hause gegangen wäre – Häschen war plötzlich weg, dafür stand Una nach einer Weile vor mir, und sie fragte mich, ob ich auch schon gehört hätte, dass es im Zimmer nebenan gerade zwei auf dem Klavier trieben. Ich weiss nicht mehr, was wir noch geredet haben. Ich weiss, dass ich nachher wirklich nach Hause ging. Die Strasse war noch warm und ich dachte: Es wäre schön, jetzt barfuss zu gehen. Aber ich konnte mich nicht überwinden, meine Schuhe auszuziehen. Ich mochte mich nicht bücken und die Schnürsenkel auseinanderziehen. Ich schaute zum Waldrand, wo wir vorher aus dem Fluss geklettert waren. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass diese Blätter jemals wieder so grün sein würden wie am Tag.

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